Nur wenige Schritte von der Piazza Navona entfernt, in Häuserblocks und enge Gassen eingebettet, liegen das Priesterkolleg und die Kirche der Deutschen in Rom, die "Anima". Sie ist eine traditionsreiche Institution, blickt sie doch auf eine sechshundertjährige Geschichte zurück.
Aufschluss -über die Gründung gibt die Bulle Papst Bonifaz IX. (1389-1404) "Quanto frequentius" vom 9. November 1398, in der es heißt, da2 Johannes Peters von Dordrecht (in Holland) und scine Frau Katharina von ihrem Geld drei Häuser mit Gärten und Nebengebäuden im römischen Stadtteil Parione erworben hätten, um hier ein Hospiz für Personen der deutschen Nation ("hospitale huismodi personarum nationis Alamanorum) einzurichten. Die Gründung geschah zu Ehren und unter dem Titel "beatae Mariae animarum". Es ist zu vermuten, dass dieser Titel von den Vorgängerbauten - vielleicht von einem Votivbild an. einem der drei Häuser - übernommen wurde. Anschaulich dargestellt ist Maria dell' Anima in der Giebelplastik über dem Hauptportal der Kirche: die thronende Hinunelskenigin mit dem Jesuskind wird von zwei nackten Gestalten - "animae" - arme? Seelen -fiehentlich angerufen, die zu ihrer Seite knien.
Der Gründer Johannes Peters (Petri) erscheint in den Quefien als Inhaber von Verkaufsläden bei Alt-St. Peter, in einem Testament von 1395 als "serviens armorum Domini nostri papae". Wahrscheinlich kam er als Kaufmann. nach Rom, konnte hier seine Geschäfte nicht unbedeutend erweitern und erlangte am Hof des Papstes eine Vertrauensstellung.
Im Bruderschaftsbuch von 1449  findet sich das Stifterehepaar an erster Stelle der verstorbenen Brüder, Schwestern und Laienwohltäter verzeichnet:

"Johannes Petri van Dordrecht serviens armorum tempore felicis recordationis domini Bonifacii pape noni primus fundator dicti hospitalis et Catharina eius uxor, qui dederunt tres domos contiguas de quarum una videlicet media facta fuit ecclesia sive Capella dicti hospitalis".

Als Gründungsjahr galt lange 1386; erst eine neuere quellenkritische Untersuchung macht 1350 als Jahr der Gründung wahrscheinlich. Mit der erwähnten päpstlichen Bulle vom 9. November 1398 solIte dem frommen Werk, welches von Rückschlägen nicht verschont geblieben war, durch Spenden über die anfänglichen Schwierigkeiten hinweggeholfen werden; der Papst gewährte hierfür einen Ablass. Unter den Wohltätern dieser Zeit befand sich ein Mann, dessen Namen mit dem eigentlichen Aufschwung dieser Urstiftung verbunden ist: Dietrich von Niem, päpstlich Skriptor und Abbreviator (gest. am 22. März 1418). 1340 in Brakel in der Nähe von Nieheim geboren, war er mit dreißig Jahre bereits Notar des Rota-Auditors Franciscus Lando der Kurie zu Avignon, mit dem er unter Papst Gregor XI. nach Rom übersiedelte. 1395 war er zum Bischof von Verden ernannt worden, konnte sich dort aber nicht durchsetzen und kehrte nach drei Jahren nach Rom zurück. Mit Hausankäufen und grosszügigen Stiftungen sicherte er das Fortbestehen des Hospitals, so daß die Voraussetzungen zur Anerkennung als kathonisch errichtete Stiftung gegeben waren. Träger des Hospitals war eine Bruderschaff, der Dietrich von Niem ein Statut gegeben hatte. An der Spitze stand der Rektor. Die Aufnahme in die Bruderschaft war mit der Einschreibung in die Konfraternitätslisten und der Entrichtung einer Gebühr verbunden, zu der eine vierteljährliche Beisteuer zu den Auslagen hinzukam. Die Mitglieder übertrugen das Recht der Verwaltung durch Wahl auf die Provisoren", die für eine bestimmte Zeit die Verwaltung zu führen hatten. Zur Wahrung der Kontinuität mußte ein Mitglied des alten Vorstandes in den neuen eintreten.
Am 21. Mai 1406 verlieh Papst Innozenz VII. dem Hospital einen Schutzbrief, durch den es von allen Jurisdiktionen - der pfarrlichen wie der städtischen eximiert und unmittelbar dem Kardinalvikar von Rounterstellt sein sollte.
Eineinhalb Monate später bekräftigte der gleiche Papst auf Bitten der Rektoren und Provisoren des "hospitalis pauperum beate Marie Alamannorum"die Gründung; hierbei wird ausdrücklich erwähnt, daß dieses bereits kanonisch errichtete Hospital mit einem Oratorium ausgestattet sei und den Zweck verfolge, die Armen und Pilger deutscher Nation zu sammeln, sie zu stärken und ihre Gesundheit wiederherzustellen. Noch am gleichen Tag erteilte der Papst der jungen Stiftung die Genehmigung zur Errichtung eines eigenen Friedhofes, auf dem Arme und Pilger, die im Hospiz verstorben waren, bestattet werden konnten - ein far die weitere Entwicklung wichtiges Recht. Viele Jahre hindurch war Dietrich von Niem der einstinunig gewählte "Rector et Gubernator". Das Beispiel seiner Gebefreudigkeit, zuletzt durch sein Testament bewiesen, fand viele Nachahmer. Neben den Laien, deutschen Pilgern und in Rom ansàssigen Handwerkern und Kaufleuten, waren es vor allem auch Kuriale deutscher Abstammung, die das Nationalhospiz durch Stiftungen förderten. Dem Einfluß und Ansehen dienlich war denn auch die durch apostolisches Mandat bewirkte Inkorporation des St. Andreas-Hospitals im Gebiet der nahen Pfarre St. Biagio de Olivia - einer nicht recht zur Entfaltung gekommenen Stiftung - im November 1431 in die Anima. Das gedeihliche Wachstum und die materielle Sicherheit mògen die Verantwortlichen zum Bau einer grösseren Kirche ermutigt haben. Diese Kirche der Deutschen, zu der am 5. April 1431 der Grundstein gelegt wurde, regte auch andere Nationen zu ähnlichen Bauwerken an. Die Bedeutung dieser Kirche mag darin zum Ausdruck kommen, daß in den Jahren 1448-1514 nicht weniger als 59 Bischofskonsekrationen hier stattfanden und sie sich als Begräbnisstätte großer Beliebtheit erfreute. Durch eine Bulle Eugens IV. von 1444 wurde die Anima zur Seelsorge an. den deutschen Pilgern und Armen, zum regelmàssigen Gottesdienst und zur Spendung der Sakramente ermächtigt. Diese Pflichten wurden zunächst von einem Hospizkaplan wahrgenommen, neben den bald ein niederer Kleriker und später ein Priester als Sakristan und Kustos traten. Zu den beiden kamen schliesslich sechs weitere Kapläne hinzu, die aus der Schar der in Rom lebenden deutschen Geistlichen durch die Kongregation ausgewählt wurde. Dieses Kaplanskollegium, 1496 durch den päpstlichen Zeremonienmeister Johannes Burckard eingeführt, war zur vita communis verpflichtet. Ein besonderes Symbol, das seit den frühesten Zeiten der Anima begegnet, ist der doppelköpfige Reichsadler. Nach einem Beschluss der Anima-Kongregation vom November 1483 sollten alle Besitzungen mit dem Adler gekennzeichnet werden. In letzter Konsequenz suchte man damit den Schutz des ròmischen Reiches deutscher Nation zu erlangen. Tatsächlich erfüllte Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter, auf dem Reichstag zu Augsburg am 15. Februar 1518 die Bitte der Anima um das Privileg der Reichsunmittelbarkeit. Die harmonische Verbindung von Hospiz und Kaiser zum Schutz der deutschen Nationalstiftung kommt der Verschmelzung des Anima-Bildes mit dem Reichsadler auf dem fortan geführten Siegel und Wappen zum Ausdruck. Eine Anderung erfuhr dies kaiserliche Protektorat 1742 insofern, als es durch ein Beschluß der Anima-Provisoren und der päpstlichen Bestätigung auf das überging. Wenn sich am 24. September 1499 die Konfraternit unter dem Provisor-Regens Johannes Burckard zu einem Neubau der Kirche entschloss, obwohl erst ein halbes Jahrhundert seit Fertigstellung der gotischen Kirche verstrichen war, so lagen die Gründe hierfùr vorwiegend in der Rivalität zwischen den einzelnen Nationen und im Kunstverständnis der Renaissane die sich gerade in Rom zu entfalten begann. Im Sitzungsprotokoll vom 24. September 1499 ist der auch zu lesen, daß die Anima von den Hospizen der anderen Nationen, die viel später als das deutsche entstanden waren, bereits überflùgelt worden sei, und daß es eine Ehrensache der Mitglieder der deutschen Nation sei, die übrigen Nationalinstitute wieder einzuholen. Die Seele des Baukomites war in den ersten Jahre Johannes Burckard, obwohl er das Amt - des Provisor Regens abgegeben hatte; seine Rolle übernahm ab 150 Bernhard Sculteti. Im juli 1509 traten an die Spitze des Hospizes und der Kirchenbauleitung Wilhelm van Enkevoirt, Apostolischer Skriptor, Johannes Sander von Nordhausen, Apostolischer Notar, und Rupert Spiegel, Apostolischer Prokurator.
Die Mittel zur Bestreitung der Baukosten kamen zunächst aus den Uberschüssen des Hospizes, genährt aus reichem Immobilienbesitz. Aber mit diesen Geldern allein ließ sich das großzügig geplante Bauwerk nicht finanzieren. Eine Erbschaft von 20.000 Dukaten von dem Ritter Kaspar von Meggau bzw. von seinem Bruder entging der Anima wegen eines Formfehlers im Testament. Gelgentlich wurden die laufenden Einnahmen durch Schenkungen und kleinere Erbschaften aufgebessert. Auf fruchtbaren Boden fiel eine Anregung Enkevoirts, die deutschen Nationalen in Rom um Beiträge zum Kirchenbau und um unverzinsliche, in fünf Jahren zurückzahlbare Darlehen zu bitten.
Seinen Teil zum Kirchenbau suchte auch Papst Leo X. 1514 beizutragen durch eine Ablaßverleihung, wie sie schon verschiedentlich zu Gunsten der Anima ausgeschrieben worden war und gelegentlich auch noch Einnahmen, vor allem aus Mainz, brachten. Leider hatten die Bemühungen Leos diesmal nur geringen Erfolg. Einen nachhaltigen Eindruck scheint "die deutsche Kirche im Spital" auf Martin Luther bei seinem Romaufenthalt im Jahre 1511 gemacht zu haben. In einer Predigt rühmt er sie: "die ist die beste, hat einen deutschen Pfarrher".
Beim Tode des "deutschen Papstes" Hadrian VI. (1523) war die Kirche nach mehr als zwanzigjähriger Bauzeit im großen und ganzen vollendet obwohl di Konsekration der gesamten Kirche erst am 25 November 1542 vollzogen wurde.
Die Entwicklung der Anima in den folgenden Jahrhunderten entbehrt nicht einiger Rückschläge, die zuweilen die Existenz des Nationalinstituts gänzlich infrage stellten.
Im Zuge der Franzòsischen Revolution wurde die Kirche am 23. Februar 1798 von den Franzosen geplündert.  Sie diente als Heumagazin, während in der Sakristei die Pferde standen. Erst zwei Jahre später konnte der kaiserliche Agent Brunati die Stiftung wieder in seine Verwaltung nehmen und den Besitz zurückerwerben. Am 5. April 1801 wurde die Kirche wieder für den Gottesdienst geöffnet.
Waren es zu Ende des 17. jahrhunderts die aus den Spanischen Niederlanden Stammenden, die sich allmählich als eigene von den Deutschen verschiedene Nation fühlten und die Anima deshalb als ihre Gründung betrachteten, so war es während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das allzu stark gewordene italienische Element, welches den ursprunglichen stiftungsrnäßigen Charakter der Anima zu verwischen drohte. In allen Fällen war es das Haus Osterreich, das, aufgrund seines Protektorates korrigierend eingriff. Nach einer Visitation der Anima durch Kardinal Reisach und Rektor Flir, um die Kaiser Franz Joseph I. Papst Pius IX. gebeten hatte, erliess der Papst unter dem 15. März 1859 das Breve Traeclara instituta", in dem eine Neuordnung der Verhältnisse vorgenommen wurde.
Dieses Breve bestinunte u.a., daß das Institut weiterhin dem Schutz des òsterreichischen Kaisers unterstand, der das Recht habe, den Rektor zu ernennen. Als eine der Neuerungen sah das Breve die Erweiterung des Instituts durch die Einrichtung eines Priesterkollegs für solche Geistliche vor, die von den Bischofen aus den Ländern des deutschen Bundes zur VervolIkommnung ihrer Studien besonders im kanonischen Recht und zur Erlernung der Kurialpraxis geschickt wurden. Das Priesterkolleg gelangte allerdings erst unter dem Rektorat von Karl Jänig 1873-1887 zur vollen Blùte wobei zeitweise bis zu 25 Kapläne in der Anima weilten. Ein ständiger Kontakt mit dem deutschen und österreichischen Episkopat war durch die Ubernahme der Agentiegeschäfte - die Besorgung geistlicher Angelegenheiten bei den Dienststellen der rön-üscl Kurie - durch die Anima gegeben.
Das Jahr 1906 stand im. Zeichen der Feier des 500. Jahrestages der Exemption der Anima durch Papst Innozenz VII. Der Rektor Dr. Joseph Lohninger veranlasste den ehemaligen Anima-Kaplan und Vizerektor Dr. Joseph Schmidlin, die Geschichte Anima zu schreiben, ein Werk, das mit seinern mehr 800 Seiten bis zum heutigen Tag das Standardwerk über das Deutsche National-Institut geblieben ist. Lohninger verstand es, mit den bei verschiedensten Festlichkeiten eingegangenen Spenden und dui weitere Aufrufe den Bau eines grossen Pilgersaales verwirkhchen. Der Rohbau hierzu konnte bereits April 1907 fertiggestelIt werden.
Im Heiligen Jahr 1925 wurden 80 Pilgerzüge durch die Anima betreut. Aus den Spenden der Pilger konnte die neue Buntverglasung des Pilgersaales und teilweise auch der Kirche finanziert werden. Im November des gleichen Jahres wurden neue Kirchenbänke, zwei Jaher später am Peter-und Paulstag eine neue Kanzel aufgestellt, am 25. November 1928 schliesslich erfolgte die Weihe einer neuen Orgel, zu der vor allem die deutsche Botschaft sowie die Gesandtschaften von Osterreich und Bayern beigetragen hatten.
Eine Erweiterung des Aufgabenkatalogs erwuchs der Anima zu Beginn des Marianischen Jahres 1954 mit der Einrichtung einer deutschen Pilgerstelle, deren Aufgabe darin besteht, den Pilgergruppen geeignete Führer zur Verfügung zu stellen und sie auch sonst bei ihrem Aufenthalt in der Ewigen Stadt zu beraten.
Das apostolische Breve vom 21. Mai 1961 legte fest, dass die österreichischen Bischòfe einvernemlich mit den deutschen Bischöfen den Rektor, der Erzbischof von Köln aber den Kuraten dem Kardinal-Protektor (neuerdings dem Kardinalpräfekten der Studienkongregation) zur Ernennung vorschlägt. Der Vizerektor soll ein Deutscher sein, wenn der Rektor Osterreicher ist und umgekehrt. S. Maria dell' Anima ist die Kirche der deutschsprechenden Katholiken in Rom. Mögen sie hier ansässig sein oder als Reisende hier eine Zeitlang verweilen, die Anima ist ihnen mit ihrem reichen historischen Erbe ein Stück Heimat, und sie will ihnen das Gefühl des Geborgenseins in der Fremde vemitteln.

Text und Bilder entnommen aus:
G. Knopp, W. Hansmann, S. Maria dell'Anima. Die Deutsche Nationalkirche in Rom, 1979.
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